Nostalgische Erinnerungen können Ausstieg aus Sucht erschweren

27.03.2024

Erinnerungen können tückisch sein. Vor allem, wenn sie die Vergangenheit verklären. Das zeigt eine Publikation zum Einfluss von Nostalgie auf den Ausstieg aus einer Sucht.

Bild: time. / photocase.de

Aufhören oder doch wieder konsumieren? Im Entzug von einer Droge können Gefühle und Gedanken hin- und herschwanken. Einerseits besteht der Wunsch, den Konsum einzustellen, weil die negativen Folgen überhandgenommen haben. Andererseits hat der Rausch auch seine schönen Seiten.

Das innere Hin und Her wird auch als Ambivalenz bezeichnet. Für Menschen, die auf eine lieb gewordene Droge verzichten wollen, sind ambivalente Gefühle nichts Ungewöhnliches. Allerdings: Personen mit stark ambivalenten Gefühlen sind auch stärker gefährdet für einen Rückfall.

Optimismus versus Ambivalenz

Eine Art Gegenpol bildet Optimismus. Wenn es um den Drogenausstieg geht, kann Optimismus wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung funktionieren. Denn wer fest daran glaubt, den Entzug erfolgreich bewältigen zu können, hat tatsächlich bessere Chancen als Menschen, die weniger optimistisch auf den Drogenausstieg blicken.

Zwei Forschende aus Kanada haben nun eine weitere Eigenschaft untersucht, die Einfluss auf den Entzug nehmen könnte: Es geht um Nostalgie. Wer in nostalgischen Erinnerungen schwelgt, denkt sehnsüchtig an Momente, Orte oder Erlebnisse aus der Vergangenheit. Die damit zusammenhängenden Gefühle und Gedanken haben meist eine tiefe emotionale Bedeutung. Beispielsweise können Erinnerungen an gemeinsame Konsum-Erlebnisse im Kiffer-Freundeskreis nostalgische Gefühle erzeugen.

Zwei Studien belegen Bedeutung von Nostalgie im Entzug

Ob und wie sich Nostalgie-Gefühle auf Ambivalenz und Optimismus auswirken, das haben sich der Forscher Michael Wohl und die Master-Studentin Mackenzie Dowson von der Carleton Universität in Ottawa in zwei Einzelstudien genauer angeschaut. In den Studien ging es um den Einfluss von Nostalgie auf den Ausstieg aus der Glücksspielsucht und auf den Entzug von der Alkoholabhängigkeit. Insgesamt rund 900 Personen wurden dazu online befragt. Alle Personen befanden sich nach eigenem Bekunden in der Phase des Ausstiegs aus der Sucht.

Die Forschenden haben die Teilnehmenden in zwei Gruppen aufgeteilt. In der einen Gruppe war Nostalgie stark ausgeprägt, in der anderen niedrig. Der Vergleich hat Folgendes hervorgebracht: Sowohl beim Ausstieg aus der Glücksspielsucht als auch im Entzug von Alkohol steht das Ausmaß an Nostalgie positiv mit Ambivalenz und negativ mit Optimismus in Zusammenhang.

Nostalgie stärkt Ambivalenz und schwächt Optimismus

Das bedeutet, wer besonders nostalgisch ist, steht dem Ausstieg ambivalenter gegenüber und blickt gleichzeitig weniger optimistisch auf das eigene Vorhaben. Auf die Glücksspielsucht bezogen könnte eine Interpretation lauten: Wenn die Person sich an die aufregenden Momente des Spielens erinnert, verstärken diese Gedanken die Ambivalenz gegenüber dem Ausstieg und verringern die Zuversicht, zukünftig auf Glücksspiele verzichten zu können.

Ob Nostalgie tatsächlich eine ursächliche Wirkung auf Ambivalenz und Optimismus hat, lässt sich anhand der Online-Befragung zwar nicht sagen. Generell sei der Ausstiegsprozess nach Aussagen von Wohl und Dowson aber ein dynamischer Prozess, bei dem die Gefühle, die Zuversicht und die Erinnerungen mal mehr und mal weniger stark Einfluss haben.

Die Forschenden erklären, dass sich aus ihrer Forschung auch konkrete Anwendungen für Menschen im Entzug ableiten lassen. Dies könne beispielsweise durch so genannte „Wenn-dann-Sätze“ erfolgen wie: „Wenn ich nostalgisch an das Glücksspiel zurückdenke, dann sollte ich mich besser daran erinnern, welches Unglück ich meiner Familie damit bereitet habe.“ Laut Wohl und Dowson können Betroffene auch bewusst daran arbeiten, romantische Erinnerungen an die Droge oder an das süchtige Verhalten durch einen realistischeren Blick auf das Vergangene zu ersetzen.

 

Quelle:

Dowson, M. & Wohl, M. J. A. (2024). The Long Shadow of Addiction-Related Nostalgia: Nostalgia Predicts Ambivalence and Undermines the Benefits of Optimism in Recovery. Substance Use & Misuse, https://doi.org/10.1080/10826084.2024.2310502


Kommentare

Kommentare

Um Kommentare schreiben zu können, musst du dich anmelden oder registrieren.